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Kommentar zum Sonntagsevangelium


Wie wir angesichts Gottes unsere Sünde voll erkennen

Juliana von Norwich (1342-nach 1416)
englische Inklusin
Enthüllungen der göttlichen Liebe, Kap. 35-36

Gott selbst ist die vollkommene Gerechtigkeit. Alle seine Werke sind gerecht, von aller Ewigkeit durch seine große Macht, Weisheit und Güte so eingerichtet. So wie er alles zum Besten geregelt hat, so ist er auch ständig am Werk und führt alles seinem Endzweck zu... Die Barmherzigkeit ist das Werk der Güte Gottes; sie wird so lange wirken, wie es der Sünde erlaubt ist, die gerechten Seelen zu quälen. Wenn diese Erlaubnis nicht mehr gegeben ist... wird alles auf Gerechtigkeit gegründet sein und so in Ewigkeit bleiben.

Gott lässt zu, dass wir fallen. Er bewahrt uns aber durch seine Macht und Weisheit. Durch seine Barmherzigkeit und Gnade erhebt er uns zu einer unendlich viel größeren Freude. So will er, dass wir ihn jetzt und in Ewigkeit als Gerechten und Barmherzigen kennen und lieben... Ich selber werde immer nur sündigen können. Aber meine Sünde hält Gott nicht davon ab zu wirken. Sein Werk zu betrachten bedeutet für eine Seele, die von Gottesfurcht durchdrungen ist und mit Hilfe der Gnade immer sehnlicher den Willen Gottes tun will, eine himmlische Freude.

Sein Werk fängt hienieden schon an. Es dient zum Ruhm Gottes und gereicht allen auf Erden, die ihn lieben, zum unermesslichen Nutzen. Bei unserer Ankunft im Himmel werden wir dies in freudigem Staunen bezeugen. Dieses Werk setzt sich fort bis zum letzten Tag. Ruhm und Seligkeit, die daraus hervorgehen, haben im Himmel, vor Gott und all seinen Heiligen, für immer Bestand... Das wird die größte Freude sein: zu sehen, dass Gott selber der Urheber von allem ist. Der Mensch ist nichts als ein Sünder. Es schien mir, als sagte mir unser gute Herr: „Schau doch hin! Ist das nicht genügend Anschauungsmaterial, mit dem du zur Demut, zur Liebe, zur Selbsterkenntnis, zur Freude an mir geführt wirst? So freu dich an mir, aus Liebe zu mir. Nichts könnte mir mehr gefallen.“